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Experimentelle Untersuchungen zur Biegung der Fliegenrute

(english version)

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Update (November 2014) !!!

Seit der ersten Veröffentlichung meiner Untersuchungen im Februar 2014 sind bei mir neben viel Lob auch einige Kritiken eingegangen. Mit den zwei wichtigsten Kritiken, dass

a) die Spitze der absolut steifen Fliegenrute abweichend von meinen Untersuchungen auf einer geraden Bahn geführt werden könne

b) die Berücksichtigung der Masse beider Fliegenrute zu deutlich abweichenden Ergebnissen führen würde

habe ich mich intensiv beschäftigt und meine Untersuchungen um die Betrachtung dieser Fragen ergänzt. Die Ergebnisse sind in der vorliegenden Revision 2.0 enthalten und betreffen im Wesentlichen den Abschnitt F und die Anhänge 1 bis 3. Ich nehme gerne vorweg, dass sich auch unter Betrachtung der vorgenannten Kritiken meine Ergebnisse nicht ändern, sondern eher noch Nachteile der absolut steifen Fliegenrute aufgezeigt werden ! Mein Dank gehört dem Physiker Dr. Franz- Josef Schmitt, der mich bei der Analyse und Erarbeitung der vorliegende Revision 2.0 sehr unterstützt hat ! Auf sein Vorwort möchte ich besonders hinweisen.

Die wichtigsten kritischen Anmerkungen zu meinen Untersuchungen habe ich in diesem Beitrag zusammengefasst und beantwortet !

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Im vergangenen Jahr 2013 habe ich mich intensiv mit der Biegung unserer Fliegenruten beschäftigt. Ausgangspunkt war eine Wurfsequenz von mir, die mit einer handelsüblichen digitalen Kamera mit 30 Bildern pro Sekunde aufgenommen und Bild für Bild ausgelesen wurde.

Die für meine Wurfsequenz ermittelten Ergebnisse vergleiche ich in meinen Untersuchungen mit denen, die sich unter den selben Bedingungen für eine absolut steife Fliegenrute ergeben. Dieser Vergleich zeigt, dass die flexible Fliegenrute gegenüber der absolut steifen Fliegenrute viele Vorteile besitzt – wenn ihr Biegeverhalten gut auf das Gewicht und die gewünschte Geschwindigkeit der Fliegenschnur abgestimmt ist. Ein Ergebnis des Vergleiches ist beispielsweise, dass die flexiblen Fliegenrute – im Vergleich zu einer absolut steifen Fliegenrute – die eingegebene Energie (Aufwand) mehr als doppelt so gut in ihre Spitze überträgt.

Es würde mich sehr freuen, wenn meine Untersuchungen dazu beitragen können, den Fliegenwurf besser zu verstehen.

experimentelle_untersuchungen_biegung_fliegenrute-rev20-end-128cp

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Hier ein Auszug der aus meiner Sicht wichtigsten Feststellungen meiner Untersuchungen:

3. Feststellung: Die Spitze der flexiblen Fliegenrute zeigt über einen großen Teil ihres Weges in die Richtung der gestreckten Fliegenschnur; sie beschleunigt diese in horizontaler Richtung. Die Spitze der absolut steifen Fliegenrute zeigt zu keinem Zeitpunkt in die Richtung der gestreckten Fliegenschnur; sie beschleunigt diese tangential auf einem Kreissegment.

5. Feststellung: Der Stopp bzw. die Rückstellung / Entladung der flexiblen Fliegenrute beginnt, wenn ihre Spitze in etwa die Hälfte (~50%) ihres Weges (aus Rotation) zurückgelegt hat. Die Rutenhand hat dann gerade die Endstellung 140° erreicht.

7. Feststellung: Die Spitze der flexiblen Fliegenrute besitzt eine um ca. 33 %  höhere horizontale Endgeschwindigkeit als die Spitze der absolut steifen Fliegenrute. Hingegen bewegt sich die Geschwindigkeit der Spitze der flexiblen Fliegenrute zu Beginn des Wurfes nur um 15% der Geschwindigkeit, welche die Spitze der absolut steifen Fliegenrute zu diesem Zeitpunkt bereits besitzt (Anfangsgeschwindigkeit).

8. Feststellung: Die Spitze der flexiblen Fliegenrute besitzt zu Beginn des Wurfes ca. 5% (0,051) und die der absolut steife Fliegenrute ca. 39% (0,388) der Geschwindigkeit, welche sie zum Ende des Wurfes hin erreichen. Zu Beginn des Stopps bzw. der Rückstellung / Entladung besitzt die Spitze der flexiblen Fliegenrute mehr als 80% (0,84) ihrer Endgeschwindigkeit

9. Feststellung: Die Auslenkung ist ein Maß für die Biegung der Fliegenrute. Sie nimmt über die 90° Position hinaus zu. Jeder in die Rotationsbewegung eingegebene Weg (Änderung des Rotationswinkels) führt zu einer Steigerung der Biegung der Fliegenrute.

10. Feststellung: Bei der flexiblen Fliegenrute führt die anfängliche Rotationsbewegung zu einer zunehmenden Biegung, wodurch die potentielle Spannkraft ansteigt, ohne dass die Masse der Fliegenschnur eine Beschleunigung erfährt. Bei der absolut steifen Fliegenrute führt jede anfängliche Bewegung unmittelbar zu einer Beschleunigung der Fliegenschnur, wofür schlagartig eine Kraft aufgewendet werden muss.

11. Feststellung: Das vom Werfer aufzuwendende Moment steigt im Quadrat zur Länge L der Fliegenrute an.

12. Feststellung: Über den Weg der Rückstellung / Entladung der flexiblen Fliegenrute bringt der Werfer keine Arbeit bzw. Energie mehr ein, weil sich der Rotationswinkel nicht ändert (α=0). Über den Weg der Rückstellung / Entladung arbeitet allein die flexible Fliegenrute und sie erhöht dabei gleichzeitig die Geschwindigkeit ihrer Spitze.

13. Feststellung: Die flexible Fliegenrute überträgt die in den Griff eingegebenen Energie zur Spitze hin (Effizienz) mehr als doppelt so gut wie die absolut steife Fliegenrute.

16. Feststellung: Je kürzer eine Fliegenrute ist, desto mehr trägt die Translationsbewegung zum gesamten, horizontalen Weg der Rutenspitze bei. Und je länger eine Fliegenrute ist, desto weniger trägt die Translationsbewegung zum gesamten, horizontalen Weg der Rutenspitze bei.

17. Feststellung: Weder mit einer reinen Rotations- noch mit einer reinen Translationsbewegung kann die Effizienz der masselosen, absolut steifen Fliegenrute über den Wert von 1,0 gesteigert werden. Die absolut steife Fliegenrute kann auch bei keiner anderen denkbaren Bewegung, keinem anderen Weg, Rotationswinkel oder Geschwindigkeitsverlauf Hilfe für eine bessere Übertragung der Energie vom Griff zur Spitze anbieten. Aus diesem Grunde erfährt sie durch die meinen Untersuchungen zugrunde gelegten Rotationsbewegung keine Nachteile

18. Feststellung: Es ist gerade die Rotationsbewegung, welche die Geschwindigkeit der Spitze am meisten steigert. Der Werfer der absolut steifen Fliegenrute muss bei längeren Fliegenruten und größerem Rotationswinkel genau auf diesen Vorteil zunehmend verzichten, weil er mit der Spitze entweder den geraden Weg verlassen oder im Griff eine vertikale Ausgleichsbewegung (Hub) ausführen muss, die mit zunehmender Rutenlänge immer schwieriger bis unmöglich wird.

Fazit: Aus meinen Untersuchungen geht hervor, dass die Biegung der Fliegenrute über die gesamte Dauer des Wurfes Vorteile bringt, die im Wesentlichen aus dem Zusammenspiel zwischen er Drehimpulserhaltung und der Federenergie kommen und dass die Translationsbewegung dabei helfen kann, diese Effekte besser zu nutzen. Wegen der fehlenden Biegung besitzt die absolut steife Fliegenrute solche Vorteile nicht. Die flexible Fliegenrute überträgt in meiner Wurfsequenz die in den Griff eingegebene Energie in die Spitze deutlich effizienter, als es die absolut steife Fliegenrute kann.

Abschließend noch mein aktuellsten Videos zum Einfluss des Drehimpulses auf den Fliegenwurf:

Spektrum

    1. Danke, lieber Dennis. Es war mir ein “inneres” Anliegen, den Fliegenwurf besser zu verstehen. Gefühlsmäßig hätte ich immer unterschrieben, dass der Wurf mit einer flexiblen Fliegenrute effizienter sein muss als der mit einem “Besenstil”. Dass das Ergebnis jedoch so klar ausfällt, hätte ich anfangs nicht vermutet. Aus meinem “Gefühl” ist nun “Gewissheit” geworden.

  1. Liebe Leser,

    danke für das weit überwiegenden Lob für meine Untersuchungen. Es bleibt natürlich auch nicht aus, dass es einige kritische Anregungen gibt. Und ich möchte betonen, dass auch gerne solche geäußert werden sollen. Schließlich sind wir alle Fehlbar und vielleicht habe ich etwas nicht präzise genug formuliert oder übersehen. Die bisher geäußerten kritischen Anregungen stellen aus meiner Sicht die Untersuchung überhaupt nicht in Frage, trotzdem möchte ich hier kurz darauf eingehen:

    “Wenn man schreibt, dass die flexible Rute effizienter ist (als eine theoretisch angenommen 100% unbiegsame Rute), wäre es sehr hilfreich das zu adressieren! Worin ist sie denn effizienter?”

    Unter den selben, in der Untersuchung genannten Randbedingungen erreicht die Spitze der flexiblen Fliegenrute bei etwas geringerem Aufwand (Arbeit) eine deutlich höhere horizontale Endgeschwindigkeit als die Spitze der absolut steifen Fliegenrute. Des Weiteren kommt es natürlich auf das Können des Werfers an, diese Endgeschwindigkeit optimal auf die Fliegenschnur zu übertragen. Diese Untersuchung überlasse ich gerne künftigen Arbeiten.

    “Der 80% Wert der maximalen Endgeschwindigkeit (im Moment der Max-Rutenbiegung) ist sehr wage. Tatsächlich variiert dieser Wert zumeist zwischen ca. 80 – 90%. Dies ist ein Resultat von Untersuchungen von Dr. Lövoll aus Oslo.”

    Meine Untersuchung ergibt demnach mit 84% einen sehr realistischen Wert, da er ja präziese innerhalb des von Dr. Lövell festgestellten Bereichs liegt. Das spricht insgesamt für die Schlüssigkeit der festgestellten Zahlenwerte. Danke für diesen Hinweis.

    “Hingegen, (wie Tobias schreibt) dass man die Rutenspitze einer unbiegsamen Rute nicht entlang einer geraden Linie beschleunigen kann, ist eine Fehleinschätzung, die ich gerne mit einem Video belegen kann.”

    Mir ist keine Stelle bekannt, an welcher ich behaupte, dass eine absolut steife Fliegenrute nicht auch über eine gerade Linie beschleunigt werden könnte. Unter F2) schreibe ich sogar ‘Der Werfer der absolut steifen Fliegenrute könnte mit der Translationsbewegung sogar einen geraden Anteil des Weges der Rutenspitze fahren.’ Das besagte Video dürfte den Wurfinteressierten bekannt sein – welches im Übrigen auch die große Translationsbewegung zeigt. Innerhalb der Untersuchung muss ich aber konsequent bleiben – also der absolut steifen Fliegenrute eine Kreisbahn verordnen, um Vergleichswerte zu erhalten. Ansonsten würde ich buchstäblich “Äpfel mit Birnen” vergleichen – was dieser Hinweis sicher nicht beabsichtigt hat. Ich überlasse es künftigen Betrachtungen, die Effizienz der absolut steifen Fliegenrute zu belegen. Solange dieser nicht geführt ist, werde ich jedenfalls die Vorzüge der flexiblen Fliegenrute propagieren. Die (von manchen geäußerte) Behauptung, dass die Biegung der Fliegenrute eine untergeordnete Rolle spiele, weil die Spitze zum Zeitpunkt des Stopps bzw. Rückstellung / Entladung ihre Endgeschwindigkeit nahekommt, muss in dieser undifferenzierten Form in Frage gestellt werden.

    “Ebenfalls stimme ich nicht damit überein, dass die Spitze der flexiblen Rute zu Beginn der Beschleunigung in Richtung der Fliegenschnur zeigt, während die unbiegsame Rute dies nicht tut. Beide Ruten befinden sich ZU BEGINN DER BESCHLEUNIGUNG schlicht in exakt gleicher Position.”

    ‘Zu Beginn’ heißt ja nicht in der Stoppposition, sondern wenn die Fliegenrute bereits die Fliegenschnur zu beschleunigen beginnt. Ich denke die Bilder unter C2) und die Skizzen zeigen präzise, was ich meine. Das würde ich ggf. im Zuge einer Revision präzisieren, falls sich auch andere Leser daran stören. Zahlenwerte sind davon nicht betroffen.

    “Der Bericht lässt ebenfalls die Frage nach dem Unterschied zwischen weniger flexibel und mehr flexiblen Ruten offen. Hierauf wäre ich zusätzlich eingegangen, weil dies in der Praxis die höchste Relevanz hat.”

    Diesen Einwand bitte präzisieren. Unter E4) treffe ich ja eine vorsichtige Abschätzung.

  2. Zu der Aussage, dass ein abgestimmtes Gerät wichtig für eine hohe Effizienz ist, wurde zwischenzeitig noch folgendes eingewendet:

    a) Eine 5er Fliegenschnur kann mit einer (steifen) Tarponrute weiter als mit einer zur Fliegenschnur passenden Fliegenrute geworfen werden.
    b) In der TLT Technik wird ganz bewusst mit nichtabgestimmtem (schwererem) Gerät geworfen, um hohe Schnurgeschwindigkeiten zu erreichen.

    Die Effizienz ergibt sich aus dem Quotienten von Nutzen zu Aufwand. Beide vorgenannten Einwände lassen offen, wie es um den Aufwand bestellt ist, weil sie nur auf einen vermeidlichen Vorteil beim Nutzen schauen.
    Im Fall a) wird schnell klar, dass der größeren Weite ein erheblicher Mehraufwand gegenübersteht, weil die Tarponrute deutlich schwerer als eine passende Fliegenrute der Klasse 5 ist. Daher lässt sich bei einer größeren Wurfweite allein noch nicht auf eine höhere Effizienz schließen.
    Den Fall b) verstehe ich aus vorgenanntem Grunde nicht. Denn auch hier müsste erstmal der Nutzen dem Aufwand gegenüber gestellt werden.
    Im Übrigen weise ich in meinen Untersuchungen ausdrücklich darauf hin, dass die Betrachtung zur Effizienz natürlich für solche Fliegenruten gilt, die unter den eingangs beschriebenen Randbedingungen geworfen werden.

  3. Inzwischen ist noch eine weitere Kritik eingegangen:

    Es ergibt für mich keinen Sinn, dass Tobias einen Arbeitswinkel (Winkel zwischen den Stopp-Positionen) für a) einen Wurf mit einer unbiegsamen Fliegenrute und b) vergleichend mit einer biegsamen Fliegenrute zu Grunde legte, der nur zum Wurf mit der biegsamen Rute passt.
    Welchen Sinn macht es, absichtlich einen komplett unlogischen (viel zu großen) Arbeitswinkel für die unbiegsame Rute zu Grunde zu legen, wenn man die Effizienz vergleichen möchte?

    Tatsächlich wird die absolut steife Fliegenrute weder mit einer reinen Translationsbewegung noch einer reinen Rotationbewegung gut geworfen werden können. Allerdings kann relativ leicht abgeschätzt werden, wie sich der Aufwand bei der absolut steifen Fliegenrute ändert, wenn diese mit einer reinen Translationsbewegung geworfen werden würde (also unter der für sie “besseren / idealeren” ? Bedingung): in diesem Falle würde der durch die Kreisbahn verordnete Nachteil bei der Zerlegung der Kräfte zwar wegfallen, allerdings wäre dann auch – wenigstens – der Vorteil des kürzeren Hebelarms dahin. Ich habe meine Untersuchungen um die Betrachtung der reinen Translationsbewegung ergänzt und dargelegt, dass auch in diesem Fall die absolut steife Fliegenrute keine Steigerung ihrer Effizienz erfährt. Wenn aber beide Bewegungsabläufe nachweislich ihre Effizienz nicht steigern, wird es bei einer Kombination beider Bewegungsabläufe ebenfalls nicht möglich sein können. Es besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass die absolut steife Fliegenrute mit einem anderen Bewegungsablauf effizienter geworfen werden könnte. Damit ist diese Kritik inhaltlich widerlegt und kann die Aussagekraft meiner Untersuchungen nicht in Frage stellen.

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